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Die Geschichte des Klöppelns im Gebiet von Vamberk

Die Geschichte der handgeklöppelten Spitze im Gebiet von Vamberk ist etwa 400 Jahre alt. Klöppeln war üblicherweise eine Möglichkeit, den Lebensunterhalt zu verdienen. Spitze aus Leinen und gelegentlich aus Hanf wurden hier gemacht. 

Im 17. Jh. gab es einen Boom in handgeklöppelter Spitze, angeregt durch Freiin Magdalena Gramb von Meldek, deren Ehemann, Kaspar von Gramb, Oberst in Wallensteins Armee, 1627 das Land um Vamberk erwarb. Magdalena Gramb lud aus ihrer belgischen Heimat eine Lehrerin ein, die die einheimischen Frauen im Klöppeln feiner flandrischer und Brüsseler Spitzen in Baumwolle und Seide unterrichtete. Die tschechischen Klöpplerinnen lernten sehr schnell und begannen schon bald damit, eigene Klöppelmuster zu entwerfen. Es fing mit der „vláčka“ (tschech. für Tüllgrund-Spitze) an, durch die Vamberk berühmt wurde. Für die Klöppelbriefe gibt es lokale Bezeichnungen, so dass wir das Klöppeln in Vamberk insgesamt als ursprünglich betrachten können. Die Muster wurden innerhalb der Familien von Generation zu Generation weitergegeben. Klöppeln war oft die einzige Möglichkeit, den Lebensunterhalt zu verdienen, und die Klöpplerinnen (im Winter klöppelten auch die Männer mit) verbrachten 16 – 18 Stunden pro Tag mit Klöppeln. 

Mit der „vláčka“-Spitze wurden im 17. und 18. Jh. die Kleidung der Adligen sowie liturgische Gewänder geschmückt. Andere Arten von Klöppelspitze wurden täglich verwendet für Tischdeckchen, Tischtücher, Kissenbezüge, Bettdecken oder Vorhänge sowie verschiedene Kleidungsbestandteile. 

Im 19. Jh. verkauften Spitzenhändler die „vláčka“-Spitze für die Volkstrachten in Mähren, Schlesien und einigen reichen Gebieten in Südböhmen. Eine neue Maschine war erfunden worden, die diese Art der handgeklöppelten Spitzenherstellung ersetzte. 

Im 20. Jh. begannen einheimische Frauen damit, nach neuen Möglichkeiten für die Handspitze zu suchen. Sie verwendeten sie hauptsächlich für moderne Kleidung und Gemälde. 

Bild: Arbeit aus der Klöppelschule in Vamberk


130 Jahre Vamberker Klöppelschule 

Schon 1886 wurde über die Errichtung einer Klöppelschule in Vamberk diskutiert, und der Gemeinderat richtete einen Antrag an das Ministerium für Kultur und Bildung in Wien. 1888 wurde die Gründung der Klöppelschule genehmigt. 1889 eröffnete der Gemeinderat die „První česká odborná krajkařská škola“ (Erste tschechische Berufsklöppelschule). Ihre Hauptaufgabe war es, die Tradition der Handspitze zu bewahren, neue Klöpplerinnen auszubilden, den Verkauf der Spitzen zu organisieren und so die Armut am Fuße des Adlergebirges zu bekämpfen. Die erste Lehrerin war Frl. Aloisie Kubiasová. 

1905 wurde die Schule verstaatlicht und der Verwaltung in Wien unterstellt. Dies war die einzige Ausbildungseinrichtung im Österreich-Ungarischen Kaiserreich, wo auch Entwerfen unterrichtet wurde. Die Schule behielt auch ihren Namen bei und ihre Lehrerinnen erhielten ihre Ausbildung in Wien. Von 1905 bis 1950 hatte die Schule ein Klassenzimmer und ein Büro im Gebäude der Grundschule. Die Klöppelschule nahm an vielen Ausstellungen teil und erhielt viele Auszeichnungen. Z.B. eine Goldmedaille bei der Jubiläumsausstellung 1891 in Prag, einen ersten Preis bei der Ausstellung des tschechischen Industrieclubs 1893 in Prag, eine große Goldmedaille bei der vom Industriemuseum in Hradeec Králové (Königgrätz) organisierten Ausstellung 1898, oder eine Auszeichnung bei der Ausstellung von 1910 in Wien, die sogar Kaiser Franz Josef I. besuchte. 

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Dana Mihulková 

Übersetzung ins Deutsche: Lothar Stang 


Maria Theresia und das Spitzenschulsystem

Am 13. Mai 2017 feierten wir den 300. Geburtstag von Maria Theresia, der berühmten Herrscherin Österreich-Ungarns. Ihre Porträts mit schönen, mit Spitze dekorierten Kleidern findet man nicht nur in Sammlungen in Österreich, sondern ebenso an vielen Orten in der ganzen Welt, z.B. im Rathaus der belgischen Stadt Gent. Im 18. Jh. gehörte dieses Gebiet zu den österreichischen Niederlanden, und nicht nur dort, sondern auch in Flandern blühte die handgeklöppelte und handgenähte Spitze. Zu jener Zeit wurde in Belgien dünnes Leinengarn hergestellt und die damit gemachten Spitzen wurden feiner und die Muster luftiger. Zur selben Zeit wurde aber auch die Arbeit der Spitzenmacherinnen schwieriger. Die Arbeitsbedingungen waren nicht gut und die Löhne entsprachen nicht den Leistungen, und dennoch wurden schöne Spitzen gemacht. Die Spitzenmacherinnen arbeiteten zusammen mit berühmten Malern, die hauptsächlich Blumenmotive für sie zeichneten, die damals in Flandern sehr in Mode waren. Die Klöppel- und Nadelspitzen aus Flandern waren von hoher Qualität und wurden oft miteinander kombiniert. 

Bild: Klöppelschule in Vamberk

Im Jahre 1743 befasste sich der Staatsrat Flanderns mit Maria Theresias Wunsch nach einem Spitzenkleid aus einer der berühmten Spitzenstädte – Gent, Brügge oder Ypern. Als Herrscherin über ein großes Reich brauchte sie Kleider nach der letzten Mode, und mit diesem Auftrag unterstützte sie auch die flämischen Spitzenmacherinnen und unterstrich ihre Geschicklichkeit und die hohe Qualität ihrer Arbeit. Nach Angaben des Hauptfinanzbeamten der Region Gent wurden für das Kleid 50.000 Schillinge bezahlt (der Gegenwert für mindestens vier Häuser zu jener Zeit). Brüsseler Spitze, eine Kombination von Klöppel- und Nadelspitze, eine der teuersten Spitzenarten, wurde für das Kleid verwendet. Die Spitzenmacherinnen machten einzelne Blumen und Motive entsprechend der Mustervorlage; jede Spitzenmacherin war nämlich auf einen anderen Spitzentyp spezialisiert. Die Gründe wurden ebenfalls getrennt gemacht und dann mit kurzen Stichen oder mit kaum sichtbaren Tüllverbindungen miteinander verbunden. Jeder Teil des Kleides ist etwas anders, so dass sehr wahrscheinlich mehrere Spitzenzentren beteiligt waren, um das Kleid in so kurzer Zeit herzustellen. Das Kleid war in fünf Monaten fertig und traf Ende Februar 1744 in Wien ein.  Der Kaiserin gefiel das Kleid sehr und sie verwendete es für ihr Porträt. Es heißt, sie habe verlangt, dass die Spitzen so akkurat wie möglich gemalt werden. Der Wiener Hofmaler Martin van Meytens fertigte zwei ähnliche Gemälde an. Eines ist in Schloss Schönbrunn zu sehen, das andere kam nach Gent, aber erst im Mai 1749, als Flandern bereits für einige Jahre unter französischer Herrschaft stand. (Diese hatten das Gemälde in zwei Kopien für Brügge). 

Maria Theresia und ihr Ehemann Franz I. halfen der Entwicklung der Textilproduktion im österreichisch-ungarischen Kaiserreich, wozu Böhmen, Mähren und Schlesien gehörten. Franz war ein sehr guter Geschäftsmann und der Verlust Flanderns mag einer der Gründe für die Entwicklung der Spitzenherstellung in unserem Land gewesen sein. Die Fähigkeiten zum Spitzenmachen wurden hauptsächlich innerhalb der Familien von Generation zu Generation weitergegeben. Die Kinder fingen mit einfachen Klöppelbriefen und ein paar Klöppeln an und lernten allmählich andere Spitzentechniken. Die Klöppelbriefe wurden auf Nachfrage gemacht. Geordneten Unterricht gab es nur in Klosterschulen. Frauen und Mädchen kamen auch in Adelshäuser, um mit Textilien zu arbeiten. Spitze wurde viel exportiert und bekam ein weiteres Privileg. 1753 wurde das Spitzenmachen in der Habsburger Monarchie zur freien Beschäftigung. Einige Jahre später, nämlich 1767, gründete Maria Theresia die Spitzenschule im österreichisch-ungarischen Kaiserreich. Die Schule hatte ihren Standort in Prag und die Lehrerinnen kamen aus den Niederlanden. Das war ein sehr bedeutender Schritt für die Entwicklung der Spitzenschulen. Viele Spitzenmacherinnen, die dort gelernt hatten, setzten ihre Arbeit fort und gaben ihr Wissen in ihren Heimatstädten weiter. 

Bild: Eingang zum Spitzenmuseum in Vamberk

Maria Theresia führte am 6. Dezember 1774 auch die Grundschulpflicht ein. Unter den Pflichtfächern wie Schreiben und Rechnen war auch Spinnen und Klöppeln. In der Textilindustrie entwickelte sich zwar die maschinelle Herstellung, aber die traditionellen Handarbeiten wurden auch unterstützt und Klöppeln gehörte zu den Kunsthandwerken. Die Geschichte der Klöppelschulen in den tschechischen Ländern ist ebenso interessant. Sie ist eng mit den Wiener Einrichtungen verbunden. 

Franz I. errichtete 1806 in Wien die Staatliche Spitzenmanufaktur, geleitet von Dr. Vandencruyses Ehefrau. Ihre vier Töchter arbeiteten dort als Lehrerinnen und Mädchen aus der Region von Loket (Elbogen) und Žatec (Saaz) wurden dort unterrichtet. Später wurden weitere Klöppelschulen gegründet, drei davon in Böhmen – in Kraslice (Graslitz),  Jachimov (Joachimstal )und Loket (Elbogen). Sie bestanden bis 1818 und organisierten auch den Verkauf der fertigen Spitzen. 

Spitzenschulen wurden an verschiedenen Orten gegründet. So gründete die Gräfin Truchseß-Zeil 1804 in Kunvald bei Novy Jičin (Neutitschein) eine Schule, die bis 1820 bestand. Ab 1816 wurde Nadelspitze im Erzgebirge von einer belgischen Spitzenmacherin unterrichtet, die von Graf von Auersperg eingeladen worden war. 

1817 (100 Jahre nach Maria Theresias Geburt) wurde die Spitzenschule von Wien nach Prag verlegt. Die Schule hatte bereits ihre Zweigstellen in Kraslice (Graslitz), Jachimov (Joachimstal), Boži Dar (Gottesgab), Šmideberk-Kovářská (Schmiedeberg), Slavkov (Schlakau), Mӗdӗnec (Kupferberg) und acht weiteren Orten im Erzgebirge. Die Schulen bildeten viele Spitzenmacherinnen aus, die später mit ihrer Erfahrung sowohl Nadel- als auch Klöppelspitze unterrichteten. (1880 gab es 80.000 Spitzenmacherinnen in den tschechischen Ländern). 

Die Spitzenschule von Vamberk nahm am 15. September 1889 den Betrieb auf. Marie Smolková und Regina Bibová bereiteten einen Spitzenmacherlehrgang an der städtischen Industrieschule von Prag vor und halfen mit bei der Gründung einer weiteren Schule in Strážov (Drosau) im Böhmerwald. 1899 gründete Vlasta Stránská eine Spitzenschule in Sedlice (Sedlitz) bei Blatna. Die Lehrerinnen an diesen Schulen hatten ihre Abschlussprüfungen in Wien abgelegt. Alle österreichisch-ungarischen Spitzenschulen standen bis 1907 unter staatlicher Aufsicht und waren mit dem k.k. Zentralspitzenkurs verbunden, der schon mit Erlass vom 26. Oktober 1874 eingerichtet worden war und seinen Sitz im k.k. Kunst- und Industriemuseum hatte (heutzutage MAK – Österreichisches Museum für Angewandte Kunst/Moderne Kunst) und unter der Aufsicht des Ministeriums für Kultur und Bildung stand. Beide Einrichtungen hatten die Aufgabe, die Handwerkstradition zu unterstützen, ihre Entwicklung zu fördern und den Verkauf der Produkte zu organisieren. Es gab sogenannte „Wanderkurse“, die mithalfen, andere Leute auszubilden. 

Bild: Gemeindehaus in Prag


Der Textilzeichner Josef Ritter von Storck war als Leiter des Kunsthistorischen Museums in Wien eine sehr wichtige Person. Sein Bericht von 1881 enthielt 157 Spitzenentwürfe in verschiedenen Techniken. Diese Muster wurden für die Spitzenproduktion verwendet. 1889 kaufte Storck Unterrichtsmaterial und Originalwerke von Adelheid Richter (später Jamnig) und Karl Jamnig. Diese Originalklöppelbriefe waren viel besser für Unterrichtszwecke geeignet und wurden als Lehrmethoden für den Klöppelunterricht veröffentlicht. Storcks 

Schüler, Johann und Mathilde Hrdlička und Franziska Hofmannnger waren weitere Lehrkräfte und Entwerfer, die neue Klöppelbriefe und Motive im Jugendstil entwarfen. Adelheid Richter war hauptsächlich an der Klöppelspitze interessiert, während Franziska Pleyer die Nadelspitze bevorzugte. Beide entwarfen neue Muster und suchten nach neuen Gründen und Schlägen bzw. Stichen.  Eine Reorganisation im Jahre 1912, die hauptsächlich auf die Spitzenschulen abzielte, führte zur Gründung der „k.k. Anstalt für Frauen-Hausindustrie“. 

Nach der Gründung der Tschechoslowakei wurden im Schuljahr 1918/19 26 Spitzenschulen der Aufsicht des staatlichen Instituts für Hausindustrie unterstellt. Leiter wurde der bereits in Wien auf derselben Position tätige Karel Vlček. Er hatte große Erfahrung und eine glückliche Hand bei der Auswahl seiner Kollegen und Künstler. Er war es, der Emilie Mildeová-Paličková veranlasste, Spitzen zu entwerfen. Ihre Arbeit und ihr Unterricht hatten später bedeutenden Einfluss auf die tschechischen handgeklöppelten und handgenähten Spitzen. 

Anna Haliková – Krajka 1/2018 

Übersetzung ins Deutsche: Lothar Stang 

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